TelefonSeelsorge®
18.11.2020

Zweiter Lockdown wirkt sich auf TelefonSeelsorge aus

Zweiter Lockdown wirkt sich auf TelefonSeelsorge aus

Einsamkeit und Sorge um Weihnachten im Zentrum vieler Gespräche

©shutterstock_414566236 / TelefonSeelsorge®

Mit dem zweiten Lockdown rücken die Corona-Pandemie und ihre Folgen wieder ins Zentrum vieler Beratungen der TelefonSeelsorge. Viele Anrufende benennen Einsamkeit und die Sorge, an Weihnachten nicht wie gewohnt mit den Angehörigen feiern zu können, als Gesprächsthema. Für die Beraterinnen und Berater gibt es viel zu tun.

„Nach dem Ende des ersten Lockdowns im Frühjahr gab es bei unseren Kontakten am Telefon eine gewisse Normalisierung, was Anrufaufkommen und Themen anbelangt“, konstatiert Dorothee Herfurth-Rogge. Die Pfarrerin ist gemeinsam mit dem katholischen Theologen Michael Hillenkamp Vorsitzende der Evangelisch-Katholischen Kommission, dem bundesweiten Leitungsgremium der TelefonSeelsorge. „Seit den neuen Beschränkungen geraten wie im Frühjahr die Themen Corona und damit verbunden Einsamkeit, Ängste und depressive Stimmungen in den Mittelpunkt vieler Gespräche.“

Die Situation im Frühjahr
Gab es vor der Pandemie im Durchschnitt täglich 2.500 Telefonate, so stiegen die Gespräche im März und April auf über 3.000 pro Tag an. Zu bestimmten Tageszeiten war das Gesprächsaufkommen fast 50 Prozent höher als vor der Pandemie. Mit dem Ende des ersten Lockdowns normalisierte sich das Anrufaufkommen, blieb aber insgesamt höher als im Vorjahr, im September waren es durchschnittlich 2.700 Gespräche pro Tag.

Interessant ist der Blick auf die angesprochenen Themen der Telefonate. Die Pandemie war im Frühjahr in fast allen Gesprächen ein Thema; rund 40 Prozent der Anrufenden nannten Einschränkungen, Verunsicherungen und Veränderungen durch die Pandemie. Sie fühlten sich einsam (rund 24 Prozent der Anrufenden), verängstigt (16 Prozent), fast 15.000 Anrufende beschrieben ihre Stimmung als depressiv (gegenüber 13.600 im gleichen Zeitraum des Vorjahres) und auch das Thema Suizidalität wurde im Vergleich zum Vorjahreszeitraum häufiger genannt (9.600 Gespräche im April 2020 gegenüber 6.600 Gesprächen im April 2019).

Steigende Fallzahlen – gesteigerte Sorgen
Nach Ende des Lockdowns äußerten die Anrufenden zwar weiter Sorgen über die Corona-Pandemie, diese waren aber nicht mehr das Hauptthema. Das änderte sich seit Oktober. Wurde das Thema Corona in der zweiten Septemberhälfte in rund fünf Prozent der Gespräche genannt, war es vier Wochen später in über elf Prozent der Gespräche Thema. In der ersten Novemberhälfte blieb die Anzahl der Anrufe relativ konstant, aber die Gespräche zum Thema Einsamkeit nahmen deutlich zu. Mit knapp 25 Prozent der Anrufe wurden die Werte aus dem Frühjar wieder erreicht. Im Zusammenhang mit Einsamkeit werden auch Ängste thematisiert. Dazu kommt für viele die Sorge, wie sich die Pandemie auf das bevorstehende Weihnachtsfest auswirken wird.

Verstärkte Nutzung der Online-Angebote
Seit 25 Jahren gehört auch die Beratung per E-Mail und im Chat zu den Angeboten der TelefonSeelsorge. Auch hier gab es im Frühjahr 2020 ein deutlich gesteigertes Aufkommen gegenüber dem Frühjahr 2019. Im Durchschnitt wurden 2019 täglich 52 Chats geführt und 82 Mails geschrieben, im April 2020 waren es täglich 135 Chats und 143 Mails. Die Themen ähnelten denen am Telefon. Bisher sind die Chat-Zahlen seit Oktober nicht signifikant gestiegen, blieben aber insgesamt auf einem höheren Niveau als im Vorjahr. Nicht überraschend ist die Tatsachen, dass die Online-Angebote insbesondere von jüngeren Menschen genutzt werden: Jeder Vierte unter 30 Jahren wendet sich per Mail oder Chat an die TelefonSeelsorge.

„Wenn wir die Statistiken betrachten, können wir erkennen, dass Corona – abgesehen von der für uns alle neuen Erfahrung einer Pandemie – die bestehenden Sorgen und Probleme vieler Menschen verstärkt. Einsamkeit ist auch ohne eine Pandemie und damit verbundene Kontaktbeschränkungen ein Thema der Telefonseelsorge. Jetzt wird sie offenkundig vermehrt für Menschen zum Problem, die bisher gut sozial integriert waren“, sagt Dorothee Herfurth-Rogge. „Als Telefonseelsorgerinnen und -seelsorger können wir diese existentielle menschliche Erfahrung des subjektiven oder objektiven Verlassenseins natürlich nicht aufheben. Aber unsere Anrufenden erleben im Gespräch menschliche Zuwendung und Verständnis für ihr Leid – und das kann eine Hilfe sein.“

Die TelefonSeelsorge werde den Sorgen und Ängsten der Menschen weiterhin mit Empathie und Zugewandtheit entgegentreten. „Gerade auch an Weihnachten werden wir unsere Leitungen für möglichst viele offen halten“, so Dorothee Herfurth-Rogge abschließend.

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